Wenn Hochbegabung unerkannt bleibt – Herausforderungen früh erkennen
Hochbegabung bei Kindern ist ein großes Potenzial – vor allem dann, wenn sie frühzeitig erkannt und gezielt gefördert wird.
Bleibt sie jedoch unentdeckt, kann das zu einer Belastung werden: für das Kind selbst, für das pädagogische Umfeld und für die Familie.
Viele hochbegabte Kinder zeigen ein Verhalten, das zunächst irritiert oder missverstanden wird. Sie langweilen sich schnell, wirken unruhig, zurückgezogen oder stellen sich scheinbar „gegen das System“. Manche Auffälligkeiten ähneln Symptomen von AD(H)S oder Autismus – was eine differenzierte Beobachtung umso wichtiger macht.

Mögliche Herausforderungen im Kita-Alltag können sein:
- Leistungsverweigerung trotz offensichtlicher Fähigkeiten
- Geringe Frustrationstoleranz, häufiges „Ausklinken“ bei Aufgaben
- Soziale Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen
- Rückzug, emotionale Überforderung oder aggressive Ausbrüche
- Psychosomatische Beschwerden (z. B. häufige Bauch- oder Kopfschmerzen)
- Minderleistung (Underachievement) trotz hoher Begabung
Hochbegabte Kinder bringen nicht nur außergewöhnliche Stärken mit. Auch Wutausbrüche, Schlafprobleme, Rückzug oder soziale Konflikte können auftreten – nicht aus „schlechtem Benehmen“, sondern weil diese Kinder ihre Umwelt intensiver wahrnehmen und oft anders verarbeiten als Gleichaltrige.
Verhalten verstehen – Potenziale entfalten
Gerade im Kita-Alter ist es entscheidend, solche Signale nicht vorschnell zu bewerten, sondern sie im Team aufmerksam zu reflektieren. Dabei können die Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachstellen oder Beratungsangebote wertvolle Orientierung bieten – ebenso wie gezielte Fortbildung.
Die Fortbildung zur begabungspädagogischen Fachkraft, gefördert durch die Stiftung Kleine Füchse, unterstützt Erzieherinnen, Erzieher und Kita-Leitungen dabei, hochbegabte Kinder früh zu erkennen und angemessen zu fördern. Hier erfahren Sie dazu mehr.
Handlungsimpulse für pädagogische Fachkräfte
- Verhalten aufmerksam und differenziert beobachten
- Mögliche Ursachen sorgfältig und ergebnisoffen abwägen
- Keine vorschnellen Urteile fällen
- Alle Personen einbeziehen, die das Kind im Alltag begleiten
- Beobachtungen und Perspektiven im Team offen austauschen und gemeinsam nach Lösungen suchen
- Vermutungen durch qualifizierte Experten abklären lassen
Intellektuelle Hochbegabung bezeichnet eine außergewöhnlich hohe intellektuelle Fähigkeit, die sich u. a. in schneller Auffassungsgabe, kreativem und abstraktem Denken sowie einer besonderen Neugier äußert. Menschen mit einem IQ von 130 und mehr gelten als hochbegabt.
Hochbegabte Kinder verfügen häufig schon als Kleinkind über ein ausgeprägtes sprachliches Ausdrucksvermögen (hohe Sprachkompetenz), eine schnelle Auffassungsgabe und außergewöhnliche Gedächtnisleistungen. Sie denken vernetzt, beobachten präzise und stellen viele, oft ungewöhnliche Fragen. Auch ein starkes räumliches Vorstellungsvermögen kann auffallen. Gleichzeitig zeigen manche Kinder typische Verhaltensmerkmale wie Perfektionismus oder eine geringe Frustrationstoleranz. Diese Anzeichen sind keine Garantie für eine Hochbegabung, sollten jedoch Anlass sein, genauer hinzusehen.
Hochbegabte Kinder erleben den Kita-Alltag oft anders als Gleichaltrige – und das kann zu Herausforderungen führen. Da sie kognitiv voraus sind, fällt es ihnen mitunter schwer, Anschluss in der Gruppe zu finden. Manche ziehen sich zurück, andere zeigen auffälliges Verhalten. Auch Unterforderung, soziale Spannungen oder ein hohes Maß an Sensibilität gegenüber einfachen Aufgaben können Auslöser für Frustration sein.
Erzieherinnen und Erzieher können hochbegabte Kinder unter anderem an überdurchschnittlichen Sprachfähigkeiten, schnellem Lernen und einer ausgeprägten Neugier erkennen. Eine begabungsfreundliche Begleitung gelingt, wenn individuelle Interessen ernst genommen und passende Impulse gesetzt werden – etwa durch altersübergreifende Projekte, anregende Materialien oder Aufgaben mit Verantwortung. Besonders hilfreich sind Angebote, die den Fragen und Beobachtungen der Kinder Raum geben und ihr Denkvermögen gezielt herausfordern.
Neben altersgerechten Lernmaterialien und Projekten können pädagogische Fachkräfte hochbegabte Kinder durch besondere Aufgaben, die Verantwortung übertragen (z. B. Vorlesen, Tafelanschriften), fördern.
Es ist auch hilfreich, den Wissensdurst der Kinder zu unterstützen, indem ihre Fragen ernst genommen und ausführlich beantwortet werden. Die Integration in Gruppenspiele, bei denen jedes Kind sich entsprechend seiner Fähigkeiten einbringen kann, ist ebenfalls von Vorteil.
Wird Hochbegabung frühzeitig erkannt, kann ein Kind gezielt und seinem Entwicklungsstand entsprechend begleitet werden. Das schafft Raum, um Fähigkeiten zu entfalten und positive Lernerfahrungen zu machen. Gleichzeitig wird das Risiko von Fehldiagnosen und negativen Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwicklung verringert.
Bleibt Hochbegabung unerkannt, fehlt oft die passende Förderung – und das kann Folgen haben: Kinder schöpfen ihr Potenzial nicht aus und fühlen sich im Gruppenalltag mitunter fehl am Platz. Mangelnde Herausforderung führt bei manchen zu Rückzug, bei anderen zu Unruhe oder auffälligem Verhalten. Wird darauf nicht angemessen reagiert, besteht das Risiko, dass das Kind das Interesse am Lernen verliert und hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.
Professionell durchgeführte Intelligenztests (IQ-Tests) gelten als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, um kognitive Fähigkeiten einzuschätzen. Bereits bei jüngeren Kindern ab etwa zweieinhalb Jahren kann eine testpsychologische Untersuchung erfolgen. Sie zeigt jedoch zunächst vor allem den aktuellen Entwicklungsstand und macht Interessen sowie Stärken sichtbar. In diesem Alter haben Beobachtung und pädagogische Einschätzung besondere Bedeutung. Ab einem Alter von etwa fünf Jahren liefern sie verlässliche Hinweise auf eine mögliche Hochbegabung.
Unsere Fortbildung
Einblicke in die Praxis - kompakt,
konkret und aus erster Hand
Ich kann mich besser in das hochbegabte Kind hineinversetzen und den anderen Kindern der Gruppe den manchmal schweren Umgang mit ihm erleichtern. Die besonderen Fähigkeiten des Kindes nutzen wir nun gezielt im Alltag.
Simone Schnell, Kita-Leitung Kita Waldnest, Sulzbach
Mit ihrem Engagement für eine frühe Hochbegabtenförderung in unseren Kitas leistet die Kleine Füchse Raule-Stiftung einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie für unsere lebenswerte Heimat Hessen und darüber hinaus.
Boris Rhein, Hessischer Ministerpräsident, Wiesbaden
Der pädagogische Ansatz der Stiftung, begabte und wissbegierige Kinder früh zu erkennen und zu fördern, ist genau richtig. Er hilft den Kindern, sich begabungsgerecht zu entfalten und eine stabile Persönlichkeit zu entwickeln.
Dr. Christa Hartmann, Diplom-Psychologin, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
Für unseren Alltag bedeutet es einmal mehr Spontanität. Möglichkeiten für Alternativen schaffen, nicht nur für Kinder mit hoher Begabung, sondern das Angebot für alle eröffnen und dadurch die Kinder aus der Sonderrolle befreien. Ein großer Schritt zu gelebter Inklusion.
Johanna von der Grün, Kita-Leitung Kinderhaus Bullerbü, Nürnberg
Hochbegabung ist ein Geschenk und eine Chance zugleich – für das Kind, sein Umfeld und auch für die Gesellschaft. Doch die Realität sieht oft anders aus: Die überdurchschnittlichen Potenziale hochbegabter Kinder bleiben oftmals unentdeckt, mit zum Teil gravierenden Folgen bei der Entwicklung dieser besonderen Kinder. Wenn wir für die Zukunft unseres Landes etwas bewegen wollen, muss die frühe Hochbegabtenförderung in den Kitas selbstverständlich werden.
Horst Raule, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kleine Füchse Raule-Stiftung, Wiesbaden
Wir sind viel sicherer geworden, hochbegabte Kinder bereits in der Kita zu erkennen und haben nun das Rüstzeug, diese Kinder angemessen zu fördern. Wir wurden in unserer Haltung bestärkt, genau hinzuschauen und herausforderndes Verhalten immer auch zu hinterfragen und nach Ursachen zu suchen.
Sara Nykamp, Kita St. Ludgerus, Nordhorn


