
Mia, fünf Jahre alt, wirkt auf den ersten Blick wie viele Kinder in ihrer Gruppe: freundlich, eher ruhig, gern für sich. Wer ihr zuhört, merkt schnell: Ihre Sprache ist ungewöhnlich präzise. Beim Vorlesen ergänzt sie oft ganze Sätze aus dem Gedächtnis, erinnert sich auch an winzige Details. Der gleichaltrige Emil hingegen fragt viel, stellt Antworten oder auch Regeln häufig erst einmal in Frage und diskutiert gern.
Hochbegabung zeigt sich im Kita-Alltag oft auf ganz unterschiedliche Weise und nicht immer so wie vermutet, was das Erkennen mitunter etwas schwierig machen kann: mal leise, mal laut, manchmal überraschend sein. Auch scheinbares Desinteresse, sozialer Rückzug, zunehmende Trennungsängste oder auffälliges Verhalten können Anzeichen sein. Woran kann man Hochbegabung erkennen und worauf sollten pädagogische Fachkräfte achten?
Was Hochbegabung bedeutet
Intellektuelle Hochbegabung wird in der Regel über einen deutlich überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten (IQ) definiert – der durchschnittliche IQ liegt hierbei bei 100, ab einem IQ IQ von 130 oder mehr spricht man von Hochbegabung. In vielen Begabungsmodellen wird zudem auf das Zusammenspiel zwischen einer vorliegenden Hochbegabung als Persönlichkeitsmerkmal und dem unterstützenden sozialen Umfeld eingegangen.
Eltern und Bezugspersonen sowie pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf die Entwicklung und Förderung hochbegabter Kinder.
Anzeichen für Hochbegabung im Kita-Alltag
Damit Hochbegabung im Kita-Alter erkannt werden kann, braucht es ein Verständnis für typische Ausdrucksformen. Für Erzieherinnen und Erzieher ist es daher hilfreich, diese Merkmale zu kennen und über Hintergrundwissen zu verfügen, um zu erkennen, wie sich eine Hochbegabung im Alltag zeigen kann. Merkmale können unter anderem sein:
- Früh ausgeprägter Wortschatz, komplexe Satzstrukturen, präzise Formulierungen
- „Erwachsen“ wirkendes Sprechen
- Viele Fragen, Zusammenhänge wollen verstanden werden
- Detailliertes Erinnerungsvermögen, Interesse für Themen, die weit über das Altersniveau hinausgehen
- Schnelles Lernen, Ungeduld bei Wiederholungen oder „einfachen“ Aufgaben
- Kreative und auch ungewöhnliche Lösungsansätze
- Alleinspiel, intensives Spielen
- Komplexere, fantasievolle Rollenspiele
- Ausgeprägtes Einfühlungsvermögen
- Starkes bzw. sensibles Reagieren auf Unfairness, Kritik oder Gruppendruck
Hochbegabt – und trotzdem unerkannt
Tatsächlich kommt dies nach wie vor gar nicht mal so selten vor, da die Anzeichen und Verhaltensweisen, die hochbegabte Kinder zeigen, nicht automatisch an eine Hochbegabung denken lassen. Manche hochbegabten Kinder passen sich stark an, um nicht als „anders“ aufzufallen. Andere wirken unterfordert oder zeigen auffällige Verhaltensweisen, die zunächst irritieren, wie etwa Trotz, Wut, Unruhe und erhöhte Zappeligkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder auch Rückzug und Trennungsängste. Auch Weinerlichkeit oder psychosomatische Beschwerden, also Beschwerden ohne organische Ursachen, wie Bauchweh können vorkommen.
Dahinter können Unsicherheit, das Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens oder die Angst vor Ablehnung stehen. Diese auffallenden Verhaltensweisen zeigen sich immer dann besonders häufig, wenn der kindliche Rahmen nicht ausreichend auf die kindlichen Bedürfnisse eingeht, weil das kindliche Potenzial bisher noch nicht erkannt und es somit noch nicht ausreichend gefördert wird. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass Hochbegabung bereits früh erkannt und verstanden wird, damit das Kind angemessen gefördert werden kann.
Handlungsimpulse für Erzieherinnen und Erzieher
Hochbegabung hat viele Facetten. Umso wichtiger ist es, aufmerksam hinzusehen und im Team, mit Eltern und ggf. Fachstellen gemeinsam zu agieren. Die folgenden fünf Impulse bieten eine erste Orientierung.
- Beobachten – ohne zu bewerten: Gezielt beobachten und Beobachtungen teilen. Auch Teammitglieder können wertvolle Eindrücke sammeln. Die regelmäßige, systematische Beobachtung hilft, Muster zu erkennen und Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, ohne „Schubladen“ aufzumachen.
- Impulse geben und individuell fördern: Raum für individuelle Interessen geben, z. B. durch kleine „Projekte“, Freiräume schaffen sowie Materialien zum Forschen und Entdecken nutzen. Kindliche Wissbegierde nicht ausbremsen auf die Schule „vertrösten“. Und v.a. ehrliches Interesse am Kind zeigen und eine wertschätzende Haltung (vor-)leben.
- Gespräche mit Eltern suchen: Oft zeigt sich Hochbegabung zuhause anders als in der Kita. Der Austausch mit den Eltern ergänzt das Bild aus der Kita und hilft bei der Einschätzung.
- Begleitung und Beratung: Wenn sich eine Vermutung verstärkt, kann eine Intelligenz-Diagnostik, also das Testen auf eine mögliche Hochbegabung, durch Fachpersonen und Fachstellen (z. B. spezialisierte Psychologen, Beratungsstellen) sinnvoll sein.
- Gezielt fortbilden: Hochbegabte Kinder haben in der Kita einen individuellen Förderbedarf. Sie brauchen Erzieherinnen und Erzieher, die sie erkennen, verstehen und entsprechend ihrer Begabung fördern. Die von der Kleine Füchse-Raule Stiftung geförderte begabungspädagogische Fortbildung schafft dafür beste Voraussetzungen.
Hinschauen lohnt sich!
Nicht jedes wissbegierige Kind ist hochbegabt – und nicht jedes hochbegabte Kind sticht sofort ins Auge. Umso wichtiger ist es, die Vielfalt kindlicher Entwicklung zu erkennen und Kinder so zu begleiten, dass sie ihr individuelles Potenzial entfalten können. Denn Hochbegabung ist kein Privileg, sondern eine besondere Weise, die Welt zu erleben und zu verstehen.
Eine anregende Umgebung mit anspruchsvollen Lernimpulsen und ausreichend Freiraum, in dem hochbegabte Kinder ihre Potenziale entfalten und sich zugleich als Teil der Gruppe erleben können, kommt allen Kindern und der Atmosphäre in der Kita zugute.
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